Im Naturschutz beruflich
und ehrenamtlich Tätige finden ihr Engagement auf der rein materiellen
Ebene zunehmend unbefriedigend und trotz allen persönlichen Einsatzes
nur begrenzt erfolgreich. Die Geomantie, ihr Weltbild und ihre Methoden
können für sie sinnbringend und unterstützend wirken. Sie bietet im
Naturschutz engagierten Menschen ein breites Spektrum an Verständnis-
und Handlungsmöglichkeiten, die befriedigend sind, weil sie Zugang zu
allen Dimensionen einer Landschaft geben. Dadurch verändert, erweitert
und vertieft sich ihre Beziehung zur Erde und zur geistig-seelischen
Identität eines Ortes. Das wiederum stärkt die Selbstheilungskräfte der
Erde. Das Land kann sich besser erhalten und regenerieren, und auch die
Bemühungen der Menschen werden erfolgreicher. Geomantie und Naturschutz
haben eine gemeinsame Wurzel bzw. Ursache, die im Eingriff des Menschen
in die Natur besteht. Durch die Veränderungen, die durch menschliches
Handeln hervorgerufen werden, entwickeln sich das Bedürfnis und auch
die Notwendigkeit nach ausgleichenden und harmonisierenden Maßnahmen,
um auch weiterhin in einer lebensfreundlichen Umwelt zu sein. Und doch
sind die Ausgangssituation und der geistige Hintergrund vollkommen
unterschiedlich. Geomantie entsteht in einer Welt, in der die Menschen
die Erde als Lebewesen, mit Geist und Seele begabt, erfahren. Die Erde
mit Himmel und allem, was da kreucht und fleucht, einschließlich des
Menschen, wird als Erscheinung und als Körper der Großen Göttin selbst
begriffen. Naturschutz entsteht hingegen in einer säkularisierten Welt,
die auf gröbste materielle Strukturen reduziert ist. Nicht mehr Einheit
ist die Grunderfahrung, sondern Abgrenzung und Zerteilung, Einsamkeit
und der Kampf ums Überleben. Der Mensch stellt seine Wünsche und
Bedürfnisse über die aller anderen Lebewesen. Es ist eine Welt, die
zudem das Verständnis für Vernetzung, Kreisläufe und Rhythmen verloren
hat bzw. negiert und weder folgenden Generationen noch anderen
Lebewesen gegenüber Verantwortung kennt.
Eine Zeitreise zum Ursprung
Zunächst eine Zeitreise in großen Sprüngen zurück zu den
Schöpfungsmythen und den Urspuren der Geomantie, durch deren Wandel und
Entwicklung bis zum Entstehen des Naturschutzgedankens. In den ältesten
Mythen entstehen Welt, Himmel und Erde und alle Geschöpfe aus der
aktiven Handlung der ursprünglichen kosmischen Großen Göttin, z.B. bei
Eurynome oder Kali durch Tanz oder direkt aus dem eigenen Körper wie
bei Tiamat. Das zeigt die Vorstellung, dass alles aus einer Einheit
kommt, Einheit ist und belebt. In diesem alles umfassenden und
durchdringenden Kraftfeld sind Menschen genauso enthalten und in
ständigem Austausch mit allem. Alle Handlungen haben Rückwirkungen auf
den ganzen Kosmos, und deshalb muss jede Handlung im Einklang mit allem
sein. Das betrifft den gesamten Lebensalltag des Menschen. Dies ist das
ursprüngliche, heilige Gesetz (das Gesetz der Maat). In einer Anrufung
der Essener an die Mutter Erde heißt es: "Die Mutter Erde ist in dir,
und du bist in Ihr, Sie gebar dich, Sie gibt dir das Leben. (...) Halte
darum Ihre Gesetze, denn kein Mensch kann lange leben, noch glücklich
sein, wenn er Seine Erdenmutter nicht ehrt und Ihre Gesetze nicht
befolgt."1 Das Gesetz besagt auch, dass alle Lebewesen und ihre
Bedürfnisse gleichberechtigt sind und dass ein ausgewogenes Geben und
Nehmen stattfindet. Die Erde ist überall heilig. Mit dem Sesshaftwerden
und dem Entstehen der Gartenbau- und der sich daraus entwickelnden
Ackerbaukultur, verändert sich die Wahrnehmung des Eingebundenseins.
Mit der Erfahrung, nicht nur zu nehmen, was im Überfluss da ist,
sondern selbst zu handeln und zu bestimmen, was die Erde
hervorzubringen hat, verändert sich das Gefühl der Einheit zur sich
immer mehr entwickelnden Entfremdung. Die Jäger und Sammlerinnen führen
ein Leben des vollständigen Gleichgewichts, weil sie nicht die
Herrschaft über ihre Umwelt erstreben, sondern Teil derselben sind.
Jetzt aber beginnen die Menschen nach der Herrschaft über die Mitwelt
zu streben. Die eigene Abspaltung und Entfremdung führt zu einer
Differenzierung und Spezialisierung. Wo vorher alles als Eine erfahren
wurde, was z.B. die altsteinzeitliche Figur der Venus von Willendorf
ausdrückt, entstehen jetzt spezialisierte Göttinnen und Götter: Vater
Himmel, Mutter Erde, Donner, Blitz, Wasser, Sonne, Mond, Morgenröte,
Fruchtbarkeit, Berg , Feuer, Haus etc. Es entsteht die Erfahrung von
drinnen und draußen, Kultur und Wildnis. Trotzdem ist das Wissen und
Erleben, dass alles belebt ist, noch da. Jede Pflanze, jeder Ort, Wald,
Berg und Wasser, haben eigenen Geist und Kraft, mit dem die Menschen
nach wie vor in Verbindung treten können. Es gibt hilfreiche Geister,
deren Zuwendung man sich sichern muss, und böse Geister, vor denen man
sich schützt. Was gut und böse ist, bestimmen die Menschen vor dem
Hintergrund ihrer Wünsche und Bedürfnisse.
Geomantie entwickelt Formen
Während Geomantie sich bisher eher in prinzipieller Haltung, noch
nachspürbar in Epen, Liedern und Mythen, in Ritualen und vergänglichen
Formen ausdrückte, nimmt sie jetzt im Sesshaftwerden bleibende Formen
an. Diese sollen unterstützend wirken, um im Einklang mit der
Geist-Seele der Erde zu bleiben. Dies geschieht durch Nachbildung
kosmischer Gesetze in der Form, z.B. durch Ausrichtung von Häusern und
Siedlungen in eine bestimmte Himmelsrichtung oder auf eine Örtlichkeit
(Berg, Heiligtum etc.) und in der Gestaltung von Häusern und Orten:
Mittelpunkt, Weltenachse, Kreuz und Kreis. Unterstützt durch Rituale,
sollen die Menschen rückgebunden und in der Einheit gehalten werden.
Auch die vorherrschende Bewusstheit der Verletzung der Erde durch
Ackerbau und dauerhaftes Siedeln führt zu entsprechenden rituellen
Handlungen und sichtbaren Maßnahmen. Trotzdem ist noch Achtung vor
allem Lebenden da. Es entstehen heilige und profane Räume. Durch
Rituale müssen die Erde und ihre Tiere und Pflanzen immer wieder
versöhnt werden: Opfergaben und Hingabe an den Geist durch spezielle
Menschen (Priester, Schamanen), die für den Rest der Bevölkerung alles
wieder ins Lot bringen und die Verantwortung übernehmen, mit der -
jetzt - "Anderswelt" zu kommunizieren. Zudem braucht der ganze Zyklus
von Anbau und Ernte die rituelle Unterstützung durch die Menschen, die
sich immer, wenn auch nur ungern, an ihre Schuld und Vermessenheit
erinnern und von daher ein Strafgericht, bzw. irgendwann den
Weltuntergang, erwarten. Und das führt zu weiteren geomantischen
Zeugnissen, sowohl Ritualen wie auch Bauwerken, z.B. Tempel. Es gibt
immer mehr heilige Reservate und immer mehr ausbeutbares profanes Land.
Dieses muss aber zunächst durch rituelle Handlungen "profan" gemacht
werden und sodann durch fortgesetzte Schutz- und Segenshandlungen vor
dem Einbruch der Anderen Welt und ihren Wesen bewahrt werden. Die
Wahrnehmung der Geist-Seele und der vitalen Erdkräfte wird bedrohlich
und stört die menschliche Ordnung.
Die Geschichte der Entfremdung
In den entstehenden Stadtkulturen geht die sinnlich erfahrbare
Verbindung zur Umwelt noch mehr verloren. Lebens- und
Schöpfungsvorgänge werden rein geistige Prinzipien, die vom einzelnen
Menschen nicht mehr wahrnehmbar sind. Der Zufall und das Schicksal
bestimmen das Leben. Das Schicksal wird bei der Geburt zugeteilt, durch
frühere Leben bestimmt (Karma), ist nicht mehr beeinflussbar, außer
durch geistige Übungen und Opfer. Die Entfremdung bereitet den Boden
für Manipulation und Ausbeutung. Durch das Abbrennen und Abholzen der
Wälder entstehen Wüsten und Versteppung, Veränderungen in Klima und
Wasserhaushalt. Noch immer verlassen Menschen Heim und Hof, wenn der
Boden nichts mehr hergibt, und suchen woanders neues Land. Solche
Erfahrungen werden bösen Mächten, zu wenig oder falschen Opfern,
Zauberern oder Hexen (Lilith) zugeschrieben. Die Große Göttin und die
Mutter Erde selbst sind zum Dämon und zur Hexe geworden. Vor allem
Hexen wurden gnadenlos gejagt und geopfert. Die Erde ist schließlich
nur noch tote Materie, und Gott lebt im Himmel - eine nicht erfahrbare,
strafende Instanz, auf deren Gnade aber alle Menschen angewiesen sind.
Trotzdem - obwohl es wie ein Widerspruch erscheint, ist es keiner! -
spricht Augustinus (Kirchenvater, gest. 430) vom "Buch der Natur".
Damit meint er, dass neben der biblischen Offenbarung auch die Natur
und ihre Erscheinungen als göttliche Offenbarungen zu "lesen" sind.
Bibel und Natur werden noch im Mittelalter als gleichberechtigte
Offenbarungen Gottes gesehen. Da der Mensch und seine Handlungen als
Krönung der Schöpfung gelten, ist er ebenfalls eine Offenbarung Gottes.
Eine Kommunikation mit den Kräften der Natur ist allerdings schon nicht
mehr möglich, da die Trennung bereits vollzogen ist. Am Ende des
Mittelalters finden wir für unseren Kulturraum unbewaldetes,
ausgeräumtes Land mit Klimaverschlechterung, Seuchen, Hungersnöten und
Hexenverfolgung in großem Stil. Zu Beginn der Neuzeit, dem Zeitalter
der Aufklärung, kommt es endgültig zur "Entzauberung der Natur" und dem
mechanistischen Weltbild unserer Zeit. Nur der Mensch hat noch Seele
und Geist, und auch das ist fraglich. Und doch, oder trotzdem, sind
Menschen jetzt wieder in der Lage, Zusammenhänge zwischen eigenem
Handeln und Umwelt zu sehen. Seuchen und Hungersnöte, das "Schicksal"
ist nicht mehr gottgewollt sondern menschengemacht. Es kommt aus dieser
Erkenntnis zur ersten "Naturschutzordnung" (1634), der Forstordnung,
die dem hemmungslosen Abholzen und dem Viehtrieb im Wald (Hudewälder)
ein Ende setzt. Die Entscheidung war rein materialistisch und löste
entsprechenden Widerstand und Interessenskonflikte aus. Gleichzeitig
legt sie aber auch den Boden für die Wiederbeseelung vor allem des
Waldes in der Romantik. In der Romantik bezieht sich nicht nur Goethe
auf das "Lebendige Buch" (damit meint er die Natur) und meint, dass das
Wesen Gottes durch die Naturschau verständlich wird. Außerdem wird,
wenn ein Bild notwendig ist, das die Sinne anspricht, die Natur immer
als - häufig nackte - Frau dargestellt, umgeben mit Fruchtbarkeit und
Wildnis symbolisierenden Tieren und Pflanzen.
Das heutige Naturverständnis
Trotz aller Verklärung der Natur werden die Entfremdung und das
mechanistische Weltbild nicht aufgehoben. Natur bleibt immer das
Andere, Fremde, Wilde, Bedrohliche, Unverstandene, das gezähmt,
untersucht und kultiviert werden muss. Somit ist der Boden bereitet für
folgende Definition aus dem Brockhaus-Lexikon :
Natur: Gesamtheit der beobachtbaren Tatbestände, soweit sie unabhängig
von Tätigkeiten der Menschen da sind, im Gegensatz zu Übernatürlichem
und Kultur.
Natur: = Welt = die vom Menschen unbeeinflusst entstehende bzw.
existierende organische und anorganische Welt. Dies spiegelt sich auch
in der Definition von "Naturschutz" wider: Naturschutz ist die
Erhaltung, Gestaltung und Pflege der natürlichen Umwelt des Menschen,
der Tiere und Pflanzen auch in der Kulturlandschaft. Natur gibt es nur
im Hinblick auf die Verwertung für den Menschen. Zur Erhaltung seiner
Ressourcen beurteilt er selbst, was lebens- oder erhaltenswert ist,
entsprechend dem Bild der "schönen Natur". Gepflegt muss es sein,
bestimmte Pflanzen und Tiere haben vorzukommen, andere nicht.3 Die
"natürliche Umwelt" soll Seele und Gemüt ansprechen, das "Andere",
Schöne und Heile sein. Dass die Erinnerung an die Seele der Natur noch
besteht, zeigen die Zwerge, Feen, sprechende Tiere und Pflanzen in
Kinderbüchern. Diese Wesen sind allerdings mehr auf menschliche Wünsche
und Moral ausgerichtet als auf eine Erfahrung der verschiedenen
Dimensionen der Ganzheit der Welt.
Möglichkeiten der Geomantie
Geomantie kann für
den Naturschutz wieder die Wahrnehmung und Begegnung mit der
Geist-Seele des Landes, der Natur und die Achtung vor allem Lebenden
bringen. Es eröffnen sich dadurch Möglichkeiten der direkten
Kommunikation. Wir können erkennen, welche Bedeutung das Einzelne für
das Ganze hat und welche Auswirkungen Eingriffe und Veränderungen auf
allen Ebenen haben, vor allem noch bevor sie sich ganz materiell
manifestiert haben. Sie kann beispielsweise bei einem Bachlauf eine
Schwächung in der Qualität der Lebenskraft mit dem Bovismeter erkannt
werden, noch bevor sichtbare Veränderungen eingetreten sind.
Weitergehende Schädigungen können dann mit praktischen und/oder
geomantischen Maßnahmen verhindert werden. Das Schwierigste dürfte die
Anerkennung der Gleichberechtigung der Interessen von Land/Natur und
Menschen sein. Aus Hierarchie kann gleichberechtigtes Miteinander
werden. Dann wird sich auch die Bewertung dessen, was lebenswert ist
und was nicht, verändern. (Auch der Borkenkäfer ist wichtig und
Ausdruck eines bestimmten Aspekts.) Auch Zyklen und Rhythmen, die über
das Maß des menschlichen Lebens hinausgehen, können anders verstanden
werden. Tod und Transformationsprozesse haben ihren Platz, auch wenn
sie nicht "schön" sind. Die Landschaft muss nicht mehr in einem
bestimmten (schönen) Bild konserviert werden, sondern Wandel und
Veränderung können zugelassen werden: wachsen lassen, was jetzt wächst,
und Vertrauen in die sich immer wieder erneuernde Kraft des Lebens
(auch wenn es eine andere Form ist) setzen. Durch die konkrete
Erfahrung der Lebenskräfte der Erde können Vorstellungen aufgegeben
werden, dass diese Kräfte menschliches Aussehen und Verhalten haben.
Beurteilungskriterien, wie schön = gut, hässlich = böse, verletzt, hell
= gut, Dunkel = schlecht etc., werden relativiert. Dann können eigene
Projektionen, was für die Erde gut ist, zurückgenommen werden.
Die Wahrnehmung öffnen
Der Einstieg in ein solches Verständnis ist die Entwicklung der
Wahrnehmungsfähigkeit für die nicht sichtbaren Dimensionen der Welt, um
diese sinnlich, gefühlsmäßig und geistig zu erfahren. So können die
Qualitäten einer Landschaft erkannt werden und Raum bekommen,
unabhängig von der oberflächlichen Schönheit (was Mensch dafür hält)
und Vielfalt der Arten, die auf der roten Liste stehen. Es geht um den
Wert alles Lebenden an sich.
Zusammengefasst kann Geomantie in den Naturschutz einbringen:
-die Dimension der Wahrnehmung über den materiellen Anteil hinaus,
-das Bewusstsein,
-mit allem verbunden zu sein,
-dass Leben und Wachsen zyklisch ist,
-dass das, was gegenwärtig ist, auch Ausdruck kosmischer Kraft ist, und
sich wandeln wird,
-dass Zerstörung und Wandlungsprozesse ihren Platz haben,
-das Wissen um die Unbesiegbarkeit des Lebens, auch wenn es zunächst
nicht so aussieht,
-das Begleiten von jahreszeitlichen Abläufen durch Wahrnehmung ihrer
geistigen Bedeutung; Handlungen, die persönliche Identifikation und
Wissen zulassen.
Naturschutz findet nicht mehr nur "da draußen" statt, wo es noch Natur
gibt, sondern ist überall möglich; auch in der Stadt, auf dem Balkon
und im eigenen Garten (unabhängig von der Größe), Durch Achtung und die
entstandene Rückbindung werden die Selbstheilungskräfte der Erde
gestärkt. Damit sind auch menschliche Maßnahmen erfolgreicher. Die
Berücksichtigung des Beziehungsgefüges eines Ortes mit allen Tieren und
Pflanzen innerhalb einer Landschaft sowie im übergeordneten, größeren
Zusammenhang für die Planung und Gestaltungsmaßnahmen.
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